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07.04.2015

Warum Auswärtsfahrten so viel Spaß machen

Eishockeyfans sind reisefreudige Zeitgenossen - auch am Mittwoch werden sich nahezu 100 Südbadener nach Leipzig aufmachen, um den EHC Freiburg im Playoff-Halbfinale zu unterstützen. Warum solche Aktionen so grandios sind, erklärt dieser Rückblick aufs Viertelfinale - eine Reise-Reportage von EHC-Fan Daniela Krause.

Wir schreiben den 29.03.15 n.Chr. Für manche ein ganz normaler Sonntag, jedoch nicht für eine kleine Menschenschar aus einer wunderschönen Stadt in Südbaden. Für die heißt es: früh aufstehen, Sachen packen und ab ins Auto zu einem Tagesausflug. Wohin? Nach Bayern bzw. Franken (da die Leute dort das B-Wort nicht so gerne hören), genauer gesagt nach Bayreuth. Warum? VIERTELFINALE! Mission: 10.000 Freiburger! Schon früh morgens bricht bei mir die Hektik aus, da mein "Shuttle-Service" 20 Minuten früher als abgemacht an der Haustür klingelt. Für ein Frühstück bleibt keine Zeit mehr. Schnell alle nochmal frisch gemacht, die Fressalien zusammen gepackt, damit auch niemand verhungert, zu fünft ins kleine, aber feine Auto gestapelt. Fast hätte ich in der Eile noch mein Trikot vergessen *Schrecksekunde*. Unser Gepäck füllt den Kofferraum wie für 1 Woche Sommerurlaub.

Kaum auf der Autobahn wird mit bangem Hoffen der Staumelder angeschmissen. Wir haben Glück - trotz strömenden Regens scheint alles frei. Die Musik läuft (nachdem der DJ endlich die "richtige" CD gefunden hat), die Stimmung ist gut. Jetzt wird erst mal gefrühstückt und natürlich ständig Ausschau gehalten nach dem großen Fanbus mit den 10.000 Freiburgern. Den Mannschaftsbus können wir diesmal leider nicht überholen, die Jungs sind ja schon am tag zuvor nach Baye…, ich meine Franken gereist. Dafür sehen wir ein Freiburger Kennzeichen, das mit großem Gejohle begrüßt wird. Außerdem stärken wir uns mit Muffins, so eine Fahrt ist schließlich anstrengend. Weiter geht's im strömenden Regen, der uns unsere gute Laune aber nicht nehmen kann. Laut grölen wir ihm (Männchen wie Weibchen) "Girls just wanna have fun" entgegen. Das Beweisvideo wird hoffentlich nie veröffentlicht.

10.000 Freiburger – mindestens

Endlich verkündet das Navi die Ankunft. Jetzt wird sich mit Trikots, Fahnen und Trommel gewappnet. Nasse Hintern wegen neben uns parkenden Autos werden ignoriert. Auf dem Weg zum Stadion steigt die ohnehin schon ausgelassene Stimmung noch mehr. Unser Trainer begrüßt uns höchstpersönlich (oder eher zufällig) am Zielort. Von Bayreuther Fans werden wir schon von Weitem mit großen Augen angeschaut wie Außerirdische. Wir fallen inmitten der gelben Schar mit blau-weiß-roter Maskierung, großer Fahne, Trommel und dem riesigen Vorfreude-Grinsen des Favoriten aber auch wirklich auf wie bunte Hunde. Endlich kommt auch der Fanbus an, die Karten werden verteilt und es geht ab ins Stadion. Dort beginnt die Platzsuche. Man will ja schließlich mitten rein ins Getümmel, wo die Stimmung am besten ist. Wir bauen die Trommel auf und bereiten die Choreo vor. Manche stürmen den Getränkeausschank, andere suchen zum zehnten Mal an diesem Tag die Toilette auf. Ich schaue mich um: 10.000 Freiburger – mindestens.

Kurz vor dem Eröffnungsbully beginnen wir uns warm zu singen, die Stimmung ist Bombe. Die Gegner können sich auf was gefasst machen. Als unsere Jungs einlaufen erhebt sich ein blau-weiß-rotes Fahnenmeer: Die Choreo kann sich sehen lassen. Es beginnt auch der allseits beliebte Trash-Talk bzw. -Gesang, wir versuchen den gelben Goalie vor uns nervös zu machen. Das erste Drittel läuft wie erhofft: ein verdientes 0:3 für uns. Doch dann wendet sich das Blatt, das 2:3 macht uns schon etwas mulmiger. Sehr erheiternd sind jedoch die Bayreuther Fans, die ihrem Unmut über die Schiedsrichterleistungen mit Becherwürfen Luft machen. Die Ultras scheinen in Bayreuth auf den Sitzplätzen sehr verbreitet zu sein. Nach mehreren Verwarnungen folgt plötzlich eine Spielunterbrechung, in der das Eis neu aufbereitet wird. In unserem Block macht sich Belustigung breit. Wir bringen dies mit "Wir ham die Becher voll" und "Werfen, einfach werfen" zum Ausdruck. Doch bei Bayreuth brodelt es: Die Fankurve ist sichtlich sauer über die Becherwerfer. Das Match geht weiter und prompt fällt der Ausgleich zum 3:3. Wir verfallen in Schockstarre.

Auch wir, der 7. Mann, schreien uns die Seele aus dem Leib

Natürlich lieben wir unseren Sport gerade weil eine 0:3-Führung noch nichts bedeuten muss, wenn die Mannschaft Moral hat... So war das hier aber trotzdem nicht geplant?! So schnell geben unsere Freiburger Jungs jedoch nicht auf. Steven Billich feuert erst unseren Goalie, dann uns Fans zum Weitermachen an - und gibt mit den anderen auf dem Eis richtig Gas. Auch wir, der 7. Mann, schreien uns die Seele aus dem Leib, um unsere Mannschaft zu unterstützen. Nur wenige Minuten später netzt Chris Billich zum 3:4 ein. Wir freuen uns, haben aber auch gelernt: Noch ist das Ding nicht entschieden. Dann endlich erlöst uns Niko Linsenmaier mit seinem wunderschönen Tor – und die Freiburger Welt dreht durch. Niko springt schreiend gegen die Plexiglasscheibe, die anderen folgen ihm jubelnd. Unser Block steht Kopf: Alle hüpfen, kreischen und drängen die Stufen hinunter in Richtung unseres Erlösers. Es regnet Bier und Tränen. Fremde Menschen liegen sich in den Armen, die Freude ist unbändig. Das anschließende Empty-Net-Goal verschönert unser Ergebnis, der Sieg ist unser. Auch nach dem Abpfiff feiert sich Freiburg noch ein Weilchen selber, Auswärtssiege sind schön! Die Bayreuther werfen erneut ihre Becher aufs Eis - diesmal aber um sie der Jugend zu spenden. Wir erinnern uns: So etwas hatten wir auch mal in Freiburg. Zur allgemeinen Belustigung wirft nun auch Freiburg Becher, Trash-Gesänge inklusive. Die Bayreuther Jugend freut sich. Erneut regnet es Bier, da jemand (aus Versehen?) einen vollen Becher gen Eis geschleudert hat. Das Gelächter ist groß.

Total erschöpft und überglücklich verlassen die 10.000 Freiburger das Stadion. Wir folgen dem Tipp eines Bayreuther Fans und besuchen den/die/das Quetsch’n, wie sich herausstellt ein uriges Lokal mit Vanille-Duftbäumchen an den Decken (was auch wirklich nötig ist!) und super leckerem Essen. Die Portionen sind so riesig, dass mehrere von uns die weiße Fahne schwingen müssen – Sorry, aber morgen wird es definitiv regnen. Unser Kellner begrüßt uns im badischen Dialekt: Er kommt aus Lörrach. Unsere Erheiterung steigt noch mehr, als unser Tischnachbar anmerkt, er komme aus Emmendingen. Die Welt ist manchmal klein.

So viele Emotionen, so viel Kampfgeist

Nach der Stärkung suchen wir unser Auto und machen uns nach einer Deo-Dusche auf die Heimfahrt. Unterwegs hören wir uns noch die Pressekonferenz an, lassen das unglaubliche Spiel Revue passieren und besprechen Taktik und Aufstellung fürs nächste Heimspiel – die Fans sind doch die größten Experten. Ganz leise überlegen wir auch, wo wir bis Dienstag Besen für den möglichen Sweep herbekommen. Die Ankunft daheim erfolgt, wie könnte es auch anders sein, im strömenden Regen. Total erschöpft falle ich ins Bett.

Dieses Spiel werde ich mit Sicherheit nie vergessen! Vor meinem inneren Auge steht immer noch Nikos Gesicht, als er nach seinem Tor zu seinen Fans läuft und mit ihnen jubelt. So viele Emotionen, so viel Kampfgeist und absoluten Siegeswillen, so viel Einsatz und ehrliche Freude spiegelten sich darauf. Und mir wird (mal wieder) klar: Für diese Mannschaft fahr ich überall hin!!!

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