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04.02.2020

Der schönste Sieg

U15: Schwenninger ERC – EHC Freiburg 1:4 (0:1, 0:0, 1:3) // ...

Derbys sind die Würze des Sports. Wenn man sich seit Jahren kennt (und auch wirklich schätzt), will man den Erfolg im Derby ein bisschen mehr als den Erfolg gegen Vereine, deren Vornamen man nicht mal kennt.

Siege in Derbys sind deshalb besonders schöne Siege. Und Siege in Derbys, zu denen man als Außenseiter anreist, mit langer Krankenliste und im windgepeitschten Dauerregen, sind so ziemlich das Höchste aller Eishockey-Gefühle.

Damit sind wir am Sonntag, 2. Februar 2020, angelangt, in der Helios-Arena. Hier regiert das Schwenninger Schüler-Team. Durch Neuzugänge gestärkt und im Hinspiel beim 4:0-Erfolg in Freiburg drückend überlegen, kurvt es in der Bundesliga (Bayernrunde) souverän dem Endturnier um die Deutsche Meisterschaft entgegen. Zu Gast war am Sonntag das Freiburger Schüler-Team. Als Quer-Einsteiger zehn Spiele lang oft vom Mut und dann auch vom Glück verlassen, hatte es erst eine Woche vorher den Schalter umgelegt. Durch ein 9:4 in Peiting konnte sich der EHC mit einem Knall vom Tabellenende verabschieden.

Beim Schwenningen-Spiel nun fehlten EHC-Trainer Ravil Khaydarov gleich vier Spieler aus seinen ersten beiden Blöcken. Also griff der Trainerfuchs tief in seine Trickkiste – mal wieder.

Eine Woche zuvor, auf der Anfahrt ins Peiting-Wochenende, hatte er für seine Jungs im Reisebus eine spektakuläre DVD eingelegt: den Mitschnitt des Finales der Junioren-Weltmeisterschaft 1986 in Ontario. Kanada gegen die Sowjetunion, Endstand 1:4, einer der sowjetischen Torschützen: Ravil Khaydarov. Ihr Trainer als Weltmeister – mit diesen Bildern im Hinterkopf gaben seine Jungs ihr Bestes und gewannen 9:4.

Jetzt, in Schwenningen, fand Khaydarov etwas anderes in der Trickkiste. Er stellte sein Team komplett um. Jeder Block erhielt ein neues Antlitz, und seinen Kapitän Milan Schiffermüller zog er aus der ersten Sturmreihe in die Verteidigung. Plötzlich hatte Schiffermüller, der ein Spiel lesen kann wie wenige seines Alters, das ganze Geschehen vor sich. Wie ein Quarterback lenkte er seine Gefährten, und wenn sich eine Lücke bot, konnte er auch mal durchmarschieren. In der 11. Minute bot sich diese Lücke, Schiffermüller zog nach mustergültiger Vorarbeit von Mark Ihlefeldt mit Maximal-Speed an den SERC-Verteidigern vorbei und traf zum 0:1.

Das zweite Drittel geriet für den EHC dann zur wahren Verteidigungsschlacht. Der Weg zur Wechselbank war nun lang, die Gastgeber zogen ihr kultiviertes Pass-Spiel auf, die Gäste wurden massiv nach hinten gedrückt. Insgesamt über 40 Schüsse, Schlenzer, Abfälscher oder Gewühl-Rebounds prasselten auf EHC-Torwart Keanu Salmik ein. Doch der agierte so souverän und reaktionsschnell, wie es souveräner eigentlich nicht geht. In den Freiburger Spielen der Bayernrunde war bislang weit und breit keine bessere Torhüterleistung zu sehen. Und so rettete Salmik dem EHC den knappsten aller Vorsprünge in den Schlussabschnitt.

Auch im dritten Drittel begannen die Schwenninger mit Vollgas. Nun wurde aber immer deutlicher, was schon die vorigen U15-Spiele gezeigt hatten: Die EHC-Verteidigung, die sich anfangs der Bayernrunde noch oft selbst um den Erfolg gebracht hatte, macht keine richtig dämlichen Fehler mehr. Und endlich auch keine dummen Fouls mehr. In 60 Minuten nur eine Strafzeit gegen so einen wirbelwindigen Gegner – das ist aller Ehren wert. Von den Stürmern erhalten die EHC-Hinterleute aber auch immer mehr Unterstützung. Der Kampfgeist eines Luis Bockstahler oder Marlo Glaser spornt ihre Nebenleute eben an, auch noch eine Schippe draufzulegen.

Da man in eine Schwenninger Schlussoffensive aber ungerne nur mit einer 0:1-Führung geht, fasste sich EHC-Stürmer Milan Klein in der 48. Minute ein Herz. Er sauste auf die SERC-Verteidiger zu, bis diese ihrem Keeper möglichst viel Sicht nahmen, und netzte dann zum 0:2 ein. Als zwei Minuten später Keanu Salmik doch mal überwunden wurde, per Nachschuss nach Bauerntrick, hätte der EHC-Sieg durchaus kippen können. 1:2 – noch zehneinhalb Minuten.

Doch mitten in die heftigen Kippbemühungen der Gastgeber hinein bedrängte Milan Klein zwei SERC-Spieler. Die hatten den Puck zuerst sicher, eigentlich war dazwischen kein Platz, die Scheibe gar nicht erreichbar und der Schwenninger Torwart ja auch bald da. Aber aus dem purzelnden Spielerknäuel kam nur einer aufrecht heraus. Es war der EHC-Stürmer, mit dem Puck am Schläger und dann gleich über der Linie. 1:3 – noch neun Minuten.

Zwar versuchten die Gastgeber weiterhin alles, was sie bisher so erfolgreich durch die Bundesliga geführt hat. Ihre Schüsse umwehte aber zunehmend ein Hauch von Verzweiflung. Und mit jeder Abwehrtat von Salmik wurde dieser Hauch eiskälter. Genau dann, wenn ein Trainer zur Aufholjagd blasen, eine Auszeit nehmen, seinen Goalie vom Eis nehmen will – genau dann setzten die EHC-Angreifer Paul Bechthold und Artjom Khaydarov (der wieder mit drei Assists glänzte) den Schlusspunkt. Eine letzte Konfusion vor dem Schwenninger Tor nutzten sie zum 1:4 (59.).

Der Rest war Feiern, im gut besuchten Gästeblock und auf dem Eis mit 19 erschöpften Jungs, die die Marschroute ihres Trainers leidenschaftlich befolgt hatten. Derbysieg! Die Gastgeber werden sich aber trösten: Das Glück, das ihnen in diesem Spiel nicht hold war, möge bald bei der Deutschen Meisterschaft an ihrer Seite sein.

Tore: 0:1 Milan Schiffermüller (Artjom Khaydarov, Mark Ihlefeldt; 10:30). 0:2 Milan Klein (47:17). 1:2 SERC (49:32). 1:3 Milan Klein (Artjom Khaydarov; 51:00). 1:4 Paul Bechthold (Artjom Khaydarov; 58:23).

Text: Toni Klein, Foto: Frank Nieberle

Ergebnisse der Bayern-Meisterrunde:
Peiting – Kaufbeuren 1:11. 
Füssen – Rosenheim 5:2. 
Schwenningen – Freiburg 1:4

Tabelle (Stand 3.2.): 
1. ESV Kaufbeuren 12/100:42/33 Punkte
2. EV Landshut 13 Spiele/76:27/33 Punkte
3. Schwenninger ERC 12/60:39/25 Punkte
4. EHC 80 Nürnberg 13/75:47/23 Punkte
5. EV Füssen 12/53:54/20 Punkte
6. Starbulls Rosenheim 14/50:61/13 Punkte
7. EHC Freiburg 14/36:53/12 Punkte
8. EHC Bayreuth 11/28:58/10 Punkte
9. EHC Straubing 12/29:76/10 Punkte
10. EC Peiting 11/45:95/7 Punkte

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